Während des Dritten Reiches (1933 – 1945) wurde vor Beginn des 2. Weltkrieges ab dem Jahr 1936 durch das NS-Regime eine Verteidigungsanlage zu militärischen und propagandistischen Zwecken errichtet. Der Westwall, von den Westalliierten auch Siegfried-Linie genannt, zog sich über etwa 630 km entlang der Westgrenze des damaligen Deutschen Reiches. Das System wurde im Norden in Kleve an der niederländischen Grenze angelegt und verlief in Richtung Süden bis nach Grenzach-Wyhlen an der Schweizer Grenze. Der Gesamte Westwall bestand aus über 18.000 Bunkeranlagen, Stollen sowie zahllosen Gräben und Panzersperren. Zudem wurden natürliche Barrieren wie z.B. Gewässer, Wälder oder das Geländerelief mit integriert.
Große Teile der ehemaligen Westwallanlagen wurden zum Teil noch während des Krieges zerstört. Nach Kriegsende wurden im Rahmen der Entmilitarisierung die Westwallanlagen überwiegend gesprengt und geschleift oder auch übererdet. Einige wenige Bestandteile (Panzersperren, Bunker oder Gräben) sind bis in die heutige Zeit erhalten und sichtbar.
Im Kreis Heinsberg verlief die Westwall-Linie entlang der Fließgewässer Wurm und Rur, wo noch heute Bunkerreste und Panzergräben (z.B. Wassergraben bei Burg Trips) zu finden sind. Bei Wassenberg trat die Linie von der Ruraue in den Birgeler Wald ein und verlief in nördliche Richtung bis Wegberg-Arsbeck, wo sie in den heutigen Kreis Viersen überging. Hier sind heute vor allem die Relikte von Laufgräben sowie gesprengte Bunker zu finden.
Während die umliegende Landschaft zunehmend intensiver genutzt wurde, unterlagen die verbliebenen Bauwerke/Reste der Anlage keiner oder einer eingeschränkten forst- oder landwirtschaftlichen Bewirtschaftung. Auf diese Weise entstand am Westwall ein überwiegend störungsarmer Rückzugsraum, der heute einer Vielzahl von z.T. bedrohten Tier- und Pflanzenarten als Lebensraum dient.
In dem vom Landschaftsverband Rheinland (LVR) unterstützten Projekt „Biotopverbund im Westen - der Westwall“ wurden in zwei Projektphasen (Phase I 2017-2019 und Phase II 2020-2022) die noch vorhandenen Strukturen des Westwalls im Kreis Heinsberg sowie in der Stadt Aachen detailliert erfasst und die dort vorkommenden Biotope mit ihrer speziellen Flora und Fauna ermittelt.
In der ersten Projektphase (von 2017 bis 2019) wurden die Biotoptypen sowie die Vogelwelt entlang dieser Strukturen erfasst und zahlreiche Maßnahmen zur Verbesserung der Bedingungen vor Ort durchgeführt. Hierzu zählen z.B. der Ausbau eines ehemaligen Schlauchturms zu einem Biotopturm mit verschiedenen Nisthilfen für Fledermäuse und Greifvögel wie Eulen. Auch konnten entlang der Westwall-Linie Flächen entsiegelt werden, um die Entwicklung zu naturschutzfachlich wertvollen Lebensräumen zu unterstützen. Ferner wurden für Vögel, Säugetiere und Insekten entlang des Verlaufs Nisthilfen installiert, so z.B. für Gebirgsstelze, Fledermäuse und Wildbienen.
Schlauchturm auf dem ehemaligen Militärgelände
(Foto: Astrid Linzen)
Fledermausquartier im Inneren des Schlauchturms
(Foto: Michael Straube)
Begleitend zu den konkreten Umsetzungsmaßnahmen im Rahmen des Biotopverbundes entlang des ehemaligen Westwalls wurden einzelne Elemente desselben mit ihrer heutigen Funktion des Lebensraumes beschrieben und über das Informationssystem KuLaDig (Kultur. Landschaft. Digital) einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Zusätzlich wurde eine Radroute entlang des Biotopverbundes und den noch sichtbaren Elementen des Westwalls im Kreis Heinsberg ausgearbeitet und geschichtliche Hintergründe sowie Informationen zu den heutigen Sekundärbiotopen aufbereitet.
In der zweiten Projektphase (von 2020 bis 2022) konnten zahlreiche Maßnahmen zum Schutz und zur Förderung von verschiedenen seltenen und gefährdeten Tierarten durchgeführt werden.
In der Wurm- und der Ruraue wurden Bruthabitate für die dort vereinzelt vorkommende Ringelnatter angelegt. Ferner wurde mit einem Monitoring die Verbreitung dieser Schlange erfasst.
Anlegen eines Ringelnatterbruthabitats
(Foto: Martin Kleikamp)
Für die hochspezialisierte Schmetterlingsart Dunkler Wiesenknopf-Ameisenbläuling wurden entlang der ehemaligen Westwalllinie Grünlandflächen ökologisch aufgewertet. Dazu wurden diese extensiv genutzten Flächen mit Samen von regional vorkommenden Pflanzen „geimpft“, um die Anzahl der Arten im Grünland und somit dessen Biodiversität zu erhöhen. Eine Art war dabei von besonderem Interesse: der Große Wiesenknopf. Diese hochwachsende Staude, die gerne entlang von Gewässern in feuchteren Bereichen wächst, ist die Futterpflanze für die Raupe des Dunklen Wiesenknopf-Ameisenbläulings.
Foto: Naturschutzstation Haus Wildenrath
Im Rahmen des Projektes wurden Wiesenknopfsamen von lokalen Vorkommen gesammelt. Nach erfolgreicher Anzucht erfolgte in den Verbreitungsgebieten des Dunklen Wiesenknopf-Ameisenbläulings die Einpflanzung dieser Pflanzen.
Grünlandanreicherung entlang der Wurm
(Foto: Gerrit Bremer)
Großer Wiesenknopf (Foto: Alexander Terstegge)
Anpflanzung vorgezogener Wiesenknopfpflanzen entlang der Wurm (Foto: Brigitta Szyska)
Die Haselmaus ist, als Bewohnerin von lichten Wäldern, Waldrändern und Gehölzreihen, auf Gehölze mit energiereichen Früchten (Haselnuss, Weißdorn, Brombeere etc.) angewiesen. Um diese Art zu unterstützen, wurde über den Projektzeitraum an verschiedenen Abschnitten der ehemaligen Westwalllinie ein Monitoring durchgeführt, um Kenntnisse über die Verbreitung dieses kleinen Säugetiers zu erhalten. In Bereichen, die Hinweise auf die Haselmaus zeigten, wurden Nist- und Überwinterungshilfen installiert.
Haselmaus (Bild: Wikipedia)
Haselmaustube für Kartierung (Bild: Brigitta Szyska)
Gemeinsam mit Schulklassen aus dem Kreis Heinsberg wurde sich auf „Spurensuche“ gemacht. Die Haselmaus und ihr Lebensraum konnte somit erkundet und erlebt werden.
Die im Projekt entwickelte Aktion „Auf den Spuren der Haselmaus“ lädt alle dazu ein sich im Kreis Heinsberg auf die Suche nach Haselmausspuren zu begeben und mehr über die Haselmaus und die Lebensräume zu erfahren.
Schulaktion zur Haselmaus-Spurensuche
(Foto: Nicole Bergs)
Spurensuche, Foto zur Aktion
(Bild: NABU-Naturschutzstation Aachen)
Das Projekt wurde durch den Landschaftsverband Rheinland (LVR) gefördert und in Zusammenarbeit mit der NABU-Naturschutzstation Aachen durchgeführt.